Stadtarchiv erinnert...
SZ: 31.07.2024 | Revolution fürs Reisen und Arbeiten: Wie die Bahn nach Balingen kam
Am 1. August vor 150 Jahren stand Balingen ein Großevent bevor: die Eisenbahneröffnung. Stadtarchivarin Nicole Scheletz gibt Einblicke in die Anfänge der Eisenbahngeschichte.
Am Donnerstag vor genau 150 Jahren stand der Stadt Balingen ein Großevent bevor. Ein Gemisch aus Spannung und Vorfreude lag in der warmen Sommerluft des 1. Augusts 1874. Die ganze Stadt war schon seit Tagen in Aufruhr und fieberte ehrfürchtig dem Moment der Eisenbahneröffnung entgegen. Stadtarchivarin Nicole Scheletz blickt zurück auf diese Zeit, die Entwicklung seit Ende des 19. Jahrhunderts und gibt resümierende Einblicke in die Anfänge der Eisenbahngeschichte.
Vorarbeit für die Anbindung an die Eisenbahnstrecke leistete Stadtschultheiß Johann Michael Eisele. Nach einer Periode von wiederkehrenden Missernten und Teuerungen erhofften sich die Balinger mit dem Bau der geplanten Eisenbahnstrecke von Tübingen nach Sigmaringen endlich wirtschaftlichen Aufschwung. Im März 1872 sind mit den Arbeiten der 17 Kilometer langen Eisenbahnstrecke begonnen worden.
Probefahrt im Juli 1874
Zwei Jahre habe es gedauert, bis die Trasse der Hohenzollernbahn von Hechingen bis Balingen fertiggestellt wurde. Nach bestandener Probefahrt im Juli 1874 stand der Eröffnung der Bahnstrecke am 1. August 1874 nichts mehr im Wege. Insbesondere die Industriellen des Bezirks sehnten diesen Tag herbei.
Pünktlich um 11.40 Uhr fuhr der festlich bekränzte Zug vor der stürmisch umjubelnden Menschenmenge in die Stadt Balingen ein. Im Waggon befanden sich hohe Beamte und Festgäste aus Hechingen, die vom Stadtschultheißen Wilhelm Friedrich begrüßt wurden. Der Festtag fand an diesem Tag mit einem Festball im Balinger Gasthaus Schwanen seinen krönenden Abschluss.
Nach der großen Eröffnungsfeier stand das lang ersehnte Verkehrsmittel den Einwohner von Balingen zur Verfügung. Fortan war es für die Balinger möglich, an einem Tag nach Stuttgart hin- und zurückzureisen. Das war bis dahin eine undenkbare Option.
Erster Güterkutscher war Johann Georg Strasser
„Die Anbindung an das Eisenbahnnetz revolutionierte nicht nur das Reiseverhalten der Balinger“, so die Stadtarchivarin, „sondern läutete den Übergang in das Industriezeitalter ein“. Eine bedeutende Rolle für die einsetzende industrialisierende Entwicklung spielte zunehmend der Güterbahnhof, der neben dem eigentlichen Personenverkehr bei dem Jubiläum nicht außer Acht zu lassen ist und im besonderen Maße in Erinnerung gehalten werden soll.
Balingens erster Güterkutscher, Johann Georg Strasser, wurde ebenfalls am 1. August 1874 von der Königlichen Württembergischen Generaldirektion der Staatseisenbahnen zum ersten Königlichen Güterbeförderer ernannt. Damit wurde der Weg für das bahnamtliche Rollfuhrunternehmen geebnet, der rund 119 Jahre in Balingen erfolgreich Bestand hatte.
Kohle kommt aus dem Ruhrgebiet
Mit dem Ausbau der Gleisanlage um das Jahr 1900 konnten erstmals Kohlewaggons aus dem Ruhrgebiet in den Balinger Güterbahnhof einfahren. Der Güterbeförderer sorgte für den Transport von Brenn- und Baustoffen, und versorgte vor allem die in Balingen ansässigen Firmen mit dem Brennstoff Kohle.
9. Januar 2024: Vor 50 Jahren wurde die Stadt Balingen zur Großen Kreisstadt erhoben
Oktober 2023: Engstlatt ist seit 50 Jahren ein Stadtteil Balingens
05.09.2023: Das Stadtarchiv trauert um Klaus Schlotterbeck
Klaus Schlotterbeck war jahrelang ehrenamtlich im Balinger Stadtarchiv engagiert. Er habe im Jahr 2012 rund 2300 Glasnegative des ehemaligen Balinger Fotografen Franz Mauthe erschlossen. Monatelang reinigte Klaus Schlotterbeck die Negative fachgerecht mit Baumwollhandschuhen, Ziegenhaarpinsel, destilliertem Wasser und Schwammtuch. Und verpackte jedes einzelne Negativ in säurefreie Negativhüllen.
Die schwerste Arbeit stand Klaus Schlotterbeck und Guido Motika noch bevor. Sie haben die Bilder dann inhaltlich bestimmt. Dafür brillierten beide mit Ortskenntnissen, denn Sie mussten nicht nur beschreiben, was zu sehen ist, sondern auch notieren wann und wo die Aufnahmen gemacht worden sind. Er übte somit eine sehr mühsame und zeitaufwände Detektivarbeit aus, weswegen er mit dem Projekt „Bildarchiv Mauthe“ Hunderte von Stunden im Balinger Stadtarchiv zugebracht habe.
Mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Stadtarchiv habe er maßgeblich dazu beigetragen, für die Stadtgeschichte einen äußerst wertvollen dokumentarischen Schatz zu heben. Der Bildbestand des Fotografen Mauthe erstreckt sich über den Zeitraum von 1905 bis 1960.
Am 22. Februar 2013 wurde Klaus Schlotterbeck für sein überragendes ehrenamtliches Engagement (Katharinenhöhe) die Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen.
Als das neue Stadtarchiv offiziell am 29. Oktober 2022 eingeweiht wurde, zählte er selbstverständlich zu den geladenen Gästen. Das Stadtarchiv habe ihm durch sein ehrenamtliches Engagement sehr viel zu verdanken. Auch bei der Vernissage zur Rätselbildausstellung am 20. Oktober 2022 war er mit dabei und begutachtete, die vom Stadtarchiv bereitgestellten Fotos, die aufgrund mangelnder Infromationen nicht verzeichnet werden konnten.
Im Frühjahr 2023 habe Klaus Schlotterbeck seinen privaten Nachlass an das Stadtarchiv übergeben. Im Wissen und Vertrauen, dass es in guten Händen aufgehoben sein wird. Ebenso überreichte er Frau Scheletz zwei Exponate des Balinger Kunstschnitzers Emil Pollermann. Die Holzexponate wurden als Andenken für seinen Vater geschnitzt, der im 2. Weltkrieg als Gebirgsjäger zum Einsatz kam.
Es ist ein kleiner Trost, dass Herr Schlotterbeck, obwohl er gesundheitlich schon angeschlagen war, noch im Juli die Balinger Gartenschau besuchen konnte und im Ausstellungsbereich des Stadtarchivs seine Exponate betrachten dürfte.
28. Juli 2023: 100 Jahre Sichelschule
Sensationeller Zufallsfund wird an das Balinger Stadtarchiv übergeben
Am 28. Juli 1923 fand in Balingen ein Großereignis statt - die Sichelschule wurde im Rahmen eines Festzugs feierlich eingeweiht. Nun ist zum 100-jährigen Sichelschuljubiläum ein 100-jähriges Schreiben entdeckt worden, dass an das Stadtarchiv übergeben worden ist.
Der Bau der Sichelschule wurde in zwei Bauabschnitte unterteilt. Der nördliche Bauabschnitt ist in den Jahren 1921 bis 1922 erstellt worden. Trotz der wachsenden Sorge um Bau- und Materialpreise wurde noch im selben Jahr mit dem zweiten, südlichen Bauabschnitt begonnen. Im Mai 1923 ist der Gewölbekeller der Sichelschule fertiggestellt worden und in dieser Bauphase verfasste der Maurermeister Reinhold Gehr eine Nachricht für die Nachwelt mit der Hoffnung, dass Sie einmal wieder ans Tageslicht kommt. Bevor die Arbeiten abgeschlossen wurden, steckte er sein Schreiben, dass vom 15. Mai 1923 datiert ist, in eine Bierflasche hinein und ließ sie bewusst in das Mauerwerk der Sichelschule einbetonieren.
Ein Jahrhundert verging. Genau 100 Jahre später im Jahr 2023 wurden Bauarbeiten im Gewölbe der Sichelschule vorgenommen, wobei eine grünlich schimmernde Flasche zum Vorschein kam. Darin enthalten das gewickelte Papierstück von Reinhold Gehr, das ihr 100-jähriges Versteck unbeschadet überstanden hatte.
Reinhold Gehr notiert in der Nachricht, dass die Firma Fritz & Gehr Gipsermeister aus Tübingen den Gewölbekeller der Sichelschule im Mai 1923 erstellt haben. Auch gibt sein Schreiben Einblick in die damalige prekäre Wirtschaftslage. Im Inflationsjahr 1923 betrug der Stundenlohn 1690 Mark. Ein gewöhnliches Mittagessen kostete 2400 Mark und für 700 Mark konnte eine Flasche Bier gekauft werden. So sollte es einen auch nicht verwundern, wenn sich die Kosten des zweiten, südlichen Bauabschnitts der Sichelschule auf 1.963.222.252.874.261 Mark beliefen.
Rektorin Edith Liebhäuser, Konrektorin Manuela Richter und Lehrer Siegfried Haas haben das 100-jährige zeitgeschichtliche Dokument mitsamt der 100-jährigen Flasche an das Balinger Stadtarchiv übergeben.
24.03.2023: Vor 125 Jahren wurde das Gebäude für die Frauenarbeitsschule erbaut
Das Gebäude in der Filserstraße 9, worin heute das Generationenhaus der Stadt Balingen untergebracht ist, wird immer untrennbar mit seiner Vorgeschichte als frühere Frauenarbeitsschule verbunden sein, woran Nicole Scheletz vom Stadtarchiv erinnert.
Zu jener Zeit waren die Ausbildungsmöglichkeiten für junge Frauen stark begrenzt. Doch die Frauenarbeitsschule bot Töchtern jeden Standes die Möglichkeit eine Ausbildung zu erlangen. Die Entstehungsgeschichte der Frauenarbeitsschule ist eng mit Friederike Rösler verbunden.
Zum Artikel: Vor 125 Jahren gebaut: Ehemalige Frauenarbeitsschule ist heute ein Ort der Begegnung in Balingen (zak.de)
13.03.2023: Stadtarchivarin Nicole Scheletz erinnert den 125. Todestag des Ehrenbürgers Karl von Leibbrand
Als Karl von Leibbrand bereits ein Tag nach dem Jahrhunderthochwasser am 06. Juni 1895 in Balingen mit einem Stab von Ingenieuren und Technikern eintraf, war Balingen ein Ort der Verwüstung. Überall war dringend Hilfe nötig und so wurde umgehend ein örtliches Hilfskomitee ins Leben gerufen. Karl von Leibbrand fungierte in Sachen Hilfeleistung als Zentralfigur für das von der Flutkatastrophe betroffene obere Eyach- und Schlichemtal.
Zum Artikel: Warum Karl von Leibbrand zum ersten Balinger Ehrenbürger ernannt wurde (zak.de)
01.01.2023: Das Stadtarchiv erinnert... Vor 50 Jahren wurde Zillhausen in die Stadt Balingen eingemeindet
Im Rahmen der Eingemeindungsreform beschloss sich Zillhausen als fünfte Gemeinde freiwillig nach Balingen eingliedern zu lassen. Nach einer fast zweijährigen Bedenkzeit ist die Entscheidung der Aufgabe der Selbstständigkeit mit Bedacht und Vernunft gewählt worden.
Die Begeisterung für Balingen hielt sich für die erstmals im Jahr 793 urkundlich erwähnte Gemeinde Zillhausen zunächst in Grenzen. Doch auch die Kontaktaufnahme mit Frommern als potenzieller Fusionspartner, sei auf keine Gegenliebe gestoßen...
Zum Artikel: Seit 1. Januar 1973 ein Balinger Stadtteil: Vor 50 Jahren wurde Zillhausen eingemeindet (zak.de)
25.12.2022: Stadtarchivarin Nicole Scheletz erinnert zum 25. Todestag an das Lebenswerk von Albert Hagenbuch
In seiner Amtszeit als Bürgermeister von 1955 bis 1975 hat Albert Hagenbuch die Stadt Balingen von der Nachkiregszeit in die Neuzeit hineingeführt. Anlässlich des 25. Todestags von Albert Hagenbuch erinnert das Stadtarchiv daran, was Hagenbuch in 20 Jahren harter Arbeit zum Wohle der Stadt Balingen als Bürgermeister und erster Oberbürgermeister geleistet hat.
Zum Artikel: 25.Todestag Albert Hagenbuch | Balingen
22.09.2022: Stadtarchivarin Nicole Scheletz erinnert an Nicodemus Frischlins 475. Geburtstag
Nicodemus Frischlin: Ein Genie, der mit seinem „unbehäb Maul“ in Ungnade fiel.
"Der kantige Gelehrte und Poet gilt als der bedeutendste Sohn Balingens. Vom Balinger Bürgersohn avancierte Frischlin mit gerade einmal 21 Jahren zum Professor der Poetik in Tübingen, dann zum Hofdichter in Stuttgart, zum humanistischen Erzieher und schließlich zum gekrönten Dichterfürsten von Kaiser Rudolph II. Nicodemus Frischlin ist ein außerordentlich kluger Kopf gewesen aber das Genie ist auch außerordentlich gescheitert".
Zum Artikel: Ein „unbehäbes“ Genie mit tragischem Ende: Die Stadt gedenkt Nicodemus Frischlin (zak.de)
31.12.2021: Ortsvorsteher ziehen nach 50 Jahren Eingemeindung überraschende Bilanz
Stadtjubiläum: 1971 wurden Streichen, Ostdorf, Endingen und Erzingen eingemeindet
1971 war ein ereignisreiches und bedeutsames Jahr für die Stadt Balingen. In jenem Jahr begann die sogenannte Freiwilligkeitsphase der Gemeindereform, wo gleich vier Eingemeindungen nach Balingen erfolgten. Anlässlich des runden Jubiläums lohnt ein Rückblick auf die Eingemeindungsprozedere der einzelnen Gemeinden. Was sich aus Sicht der aktuellen Ortsvorsteher durch die Eingemeindung in den vergangenen 50 Jahren verändert und verbessert hat, wird im Einzelnen dargestellt.
Zum Artikel: Balingen: Ortsvorsteher ziehen 50 Jahre nach der Eingemeindung eine überraschende Bilanz (zak.de)